Hochtouren Kurs mit Bergführer Patrick – von Toten Mann, Prusik & Co

Wir wollen noch ein bisschen höher hinaus und unsere Abenteuer nun auch auf Hochtourenebene bringen. Hochtouren sind absolutes Neuland für uns. Pickel, Knoten, Gehen in Seilschaft warfen jede Menge Fragezeichen auf und Gedanken an Gletscherspalten sorg(t)en für Bauchweh. Dennoch, die Berge rufen – Großglockner, Großvenediger, Piz Buin, Marmolata, Ortler und co wollen bestiegen werden. Ein Kurs musste her! Mit Bergführer Patrick Laszlo haben wir bei einem zweitägigen Intensivproramm das Hochtouren-Einmaleins mit auf den Weg bekommen.

Material-Checkliste für 2er Seilschaft
Seil:50 m Einfachseil
Karabiner:je 1 Karabiner mit automatischer Verriegelung; 4 Karabiner mit klassischer manueller Verrieglung durch Schrauben (Screw-Lock) ; 2 Karabiner mit Schnappverschluss
Reppschnüre:1,5 m (5-6 mm); 3 m (5-6 mm); 5 m (5-6 mm)
Bandschlingen:120 cm; 60 cm
Seilklemme:1x T-Bloc
Umlenkrolle:1x Micro Traxion
Eisschraube:1x ca. 17 cm lang mit drehbarer Lasche und integrierter, umklappbarer Kurbel

Tag 1

Treffpunkt ist die Türlwandhütte bei der Talstation der Dachstein-Seilbahn, wo wir uns für die beiden nächsten Tage auch einquartiert haben. Nach einem Kennenlernen bei einem guten Bergfrühstück und Abstimmen der Kursinhalte für die beiden Tage, geht es auch schon los mit einer Materialeinführung. Wir schauen uns gemeinsam an, was denn so alles als Grundausstattung mitkommt auf eine Hochtour. Im Kofferraum finden wir jede Menge Pickel, Steigeisen, Seile, Karabiner und Eisschrauben. Auch wenn noch nicht klar ist, wie genau die verschiedenen Materialstücke zum Einsatz kommen werden, gehen wir mit Patrick die Grundausstattung durch, die auf jeder Hochtour mit dabei sein muss.

Talstation der Seilbahn Hunerkogel

Mit der Seilbahn geht es danach vollbepackt auf den Dachstein-Gletscher. Die Wetterbedingungen sind an unseren beiden Kurstagen ein Traum. Es scheint die Sonne und es herrscht eine klare 360° Rundumsicht. Nur der Schnee hat um diese Jahreszeit schon sehr gelitten, sowohl die Farbe als auch die Schneehöhe haben schon einmal bessere Zeiten erlebt. Auch der Gletscherrückgang insgesamt lässt sich an den Markierungen der Felswände gut erkennen. Für mich ist es mein erster Besuch am Dachstein-Gletscher und ich muss sagen der erste Eindruck dieses unglaublichen Bergmassivs, war fast ein bisschen erschreckend.

Am Gletscher angekommen

Von der Bergstation Hunerkogel gehen wir den präparierten Weg entlang und suchen uns vor dem sogenannten Dirndl einen schönen Platz für die Übungen. Patrick hatte gehofft, die ein oder andere Spalte für uns zu finden, aber aufgrund der Schnee- und Gletscherlage gab es keine Aussicht auf geeignete Übungsspalten. Daher platzieren wir uns vor dem Drindl. Zwischen Gletscher und Felswand ist hier immerhin eine breite Kluft, die wir für unsere Übungszwecke sehr gut nutzen werden.

Patrick startet mit der Frage: Wie sieht es denn mit euren Knotenkenntnissen aus? Diese erste Frage muss ich gleichmal mit Kopfschütteln beantworten. Vor ein paar Jahren habe ich zwar einen Kletterkurs gemacht, aber da ist von der Knotenlehre nicht so viel hängengeblieben. Micheal kennt sich ein bisschen besser aus, lauscht aber dennoch gespannt, was es an Knotentechniken so alles gibt.

Als erste Lektion steht das Gehen in Seilschaft am Programm. Da wir vorrangig zu zweit unterwegs sein werden, konzentrieren wir uns insgesamt bei dem Kurs auf die wichtigsten Punkte bei einer Zweierseilschaft. Sind wir zu zweit unterwegs, dann binden wir uns mittels Achterknoten in das 50m Einfachseil ein und lassen mindestens 16 m zwischen uns. Auf die Seilmeter zwischen uns werden zusätzlich mind. 3 Bremsknoten (Sackstich) gemacht. Sind wir zu dritt auf Tour, dann würden zwischen den Seilpartnern 10 – 12 m Seil ausreichen.

Das Restseil an beiden Enden wird entweder als Seilpuppe gebunden in den Rucksäcken verstaut oder um den Oberkörper abgebunden. Auf jeden Fall ist dabei wichtig, dass das Seil bei einer eventuellen Spaltenbergung schnell befreit werden kann.

Nun marschieren wir ein paar Meter als Zweierseilschaft los. Das Seil zwischen uns sollte immer gespannt sein und nicht am Boden streifen. Wenn man sonst gewohnt ist sehr nah beieinander am Berg unterwegs zu sein, ist diese Art von Gehen eine ganz andere Erfahrung.

Bei Lektion zwei geht es an die Spaltenbergung. In eine Spalte zu stürzen ist eine sehr gruselige Vorstellung, umso wichtiger ist es Techniken nicht nur gehört zu haben, sondern sie oft und immer wieder zu üben. Wir erlenen wie man einen Spaltensturz mittels Fixpunkt, einem sogenannten Toten Mann oder T-Anker, halten kann und durch einen Flaschenzug den Gestürzten aus der Spalte zieht.

Die erste Schwierigkeit bei der ganzen Angelegenheit ist es den gestürzten Partner zu halten und zu bremsen und dabei nicht selbst in die Spalte gezogen zu werden. Wir probieren es beide mit leichtem Anlauf auf ebenem Gelände aus und merken, dass die Aufgabe selbst in einer Übungssituation stressig ist. Der Zug am Bauchgurt ist enorm, mit Müh und Not stemme ich meine Füße in den harten Schnee und versuche trotz des Zugs, der auf meinem Bauchgrut lastet, meinen Pickel in den Schnee einzugraben. Das ist eine wirklich anstrengende Aufgabe.

Kurz bevor ich mich in den Abgrund „stürze“
Michael wartet auf seine Bergung

Das Loch muss tief genug sein, sodass Zug auf den Anker ausgeübt werden kann, ohne dabei ausgehoben zu werden. In der Mitte des Pickels wird eine Bandschlinge (120 cm) mittels Mastwurf angebunden und dann in Zugrichtung ebenfalls in den Schnee gelegt. Wir graben das Loch wieder zu, stampfen ein bisschen am Schnee herum, damit der lose Schnee wieder an Festigkeit gewinnt. Im nächsten Schritt kommt ein Schraubkarabiner in die Schlaufe und in den Karabiner eine Seilrolle für das Seil. Bis zum einfädeln des Seils in die Seilrolle hatte man das gesamte Gewicht des Partners auf Zug. Nun folgt Erleichterung, die Last wird auf den gebauten Fixpunkt, den Toten Mann, übergeben.

Beim Bau des T-Ankers

Damit der bergende Bergpartner weiterhin gesichert ist, zeigt uns Bergführer Patrick noch wie man mit einer Reppschnur einen Prusik an das Restseil anbringt und die beiden Enden der Reppschnur mit einem Sackstick im Karabiner am Anseilring des Gurtes verknotet. Ist das geschafft, geben wir das Hauptseil aus dem Karabiner, lösen den Achterknoten und schauen nach vor zur Gletscherspalte zu unserem gestürzten Bergpartner, ob es ihm gut geht. Erst dann geht es ans Bergen mittels Flaschenzug. Wir ziehen bis wir beim ersten Bremsknoten anstehen, den müssen wir lösen, dann weiterziehen.

Michael beim Check ob es mir im Abgrund gut geht
Ein Teil der Flaschenzugkonstruktion für die Bergung
Umlenkrolle

Nach der Übung ist klar, der Ablauf der gesamten Bergungsmethode ist unsere Hausaufgabe, die wir zuhause immer wieder simulieren werden. Auch mit Bergführer Patrick wiederholen wir das Szenario mehrere Male und spielen verschiedene Varianten durch. Unsere Köpfe rauchen und merken wie viel Konzentration diese Übungen abverlangen.

Es ist Zeit für eine Stärkung und ein paar Erlebniserzählungen aus den Bergen. Ich finde es immer sehr spannend zu hören, was andere schon alles erlebt haben. Wie sie zum Bergsport gekommen sind und welche Pläne noch anstehen.

Wir erkundigen uns auch gleich, welche Hochtouren denn für Einsteiger und als 2er Seilschaft geeignet sind. Patrick erzählt uns vom Groß Venediger und Piz Buin als erste Möglichkeiten, auch die Marmolata stellt eine geeignete Hochtour da. Trotzdem sei auf jeden Fall zu überdenken, ob man nicht noch einen oder zwei weitere Seilpartner mitnimmt, einfach weil es im Falle eines Falles sicherer ist.

Genug geplauscht, es geht weiter mit Übungen zum Gehen im Firn und zum Abremsen von Stürzen im Firn. Wir üben erst ein paar Gehtechniken mit Steigeisen. Dabei beginnen wir einen Hang zu queren und dabei mit jedem Tritt kerben in den Firn zu schlagen. Mit dieser Technik gewinnt man Stabilität am Hang und sollte sich beim Gehen sicherer fühlen. Bergführer Patrick rät uns bei Touren solange es das Gelände erlaubt und man sich sicher fühlt ohne Steigeisen zu gehen, da das kraftsparender ist. Ist der Hang nicht zu steil, wählt man den Aufstieg in Serpentinen. In den Kehren tritt man sich dabei ausreichend große Kerben, um möglichst stabil um die Kurve zu kommen.

Wird der Hang zu steil und ist ein sicheres Vorwärtskommen im Aufstieg quer zum Hang nicht mehr möglich, dann verwendet man die Methode des vertikalen Aufstiegs, die natürlich viel anstrengender ist. Das üben wir wieder in unserem Graben unterm Drindl. Wir bauen uns dafür wieder einen Anker-Fixpunkt, hängen an die Bandschlinge einen Karabiner und sichern mit HMS. Mit Pickel und Steigeisen ausgestattet wandert der Gesicherte nun den Graben hinunter, erst nur ein Stück dann bis fast ganz unten. Die Schneewand ist da unten schon sehr steil und mir ist das ganze ein wenig suspekt. Ich habe das Gefühl abzurutschen sobald ich einen Fuß heben würde. Nach einigem hin und her kommt Patrick unterstützend zur Seite. Er zeigt mir wie man kräftig mit den Fußspitzen Kerben in den Firn schlägt und so Stabilität beim Steigen bekommt. Der Pickel in der Hand dient dabei als zusätzliche Stütze beim Aufwärtssteigen. Huch, das wäre geschafft!

Knotenübung HMS

Wir üben auch noch das Abbremsen von Stürzen im Firn, zum einen das Bremsen mit zu Hilfenahme des Pickels und zum anderen das Bremsen durch das Einnehmen einer Stützposition. Erst zeigt es uns Patrick vor. Mit dem Pickel in der Hand nimmt er ein bisschen Anlauf, rutscht den Hang hinunter, dreht sich im Rutschen pfeilschnell um und bremst mit der Haue im Schnee bis er zum Stillstand kommt. Diese Variante muss vor allem dann eingesetzt werden, wenn man Steigeisen trägt, denn hat man Steigeisen an, müssen die Beine immer angehoben werden, sonst könnte man regelrecht „abheben“ und sich dabei auch schwer verletzen.

Die zweite Variante kommt deshalb nur zum Einsatz, wenn man keine Steigeisen trägt. Dabei dreht man sich in Stützposition und bremst mit Armen und Beinen gegen den Schnee gedrückt bis man stehen bleibt. Egal aus welcher Fallrichtung, ob vorwärts mit dem Kopf voraus hinunter oder in Rückenlage, es heißt so schnell wie möglich auf den Bauch drehen damit man die Stützposition einnehmen kann.

Im Ernstfall kann man bei solchen Stürzen rasend schnell Fahrt aufnehmen, da vor allem die glatte Kleidung sehr gut im Firn rutscht. Umso wichtiger ist zu wissen wie man reagiert, um so schnell wie möglich den Sturz abbremsen zu können. Patrick lässt nun auch uns zwei die Rutschpartie ausprobieren und die Bremsübungen durchführen.

Mit diesen Übungen geht auch ein erster lehrreicher Kurstag zu ende. Bis auf eine kleine Mittagsjause haben wir den ganzen Tag voll ausgekostet und bereits sehr viel Wissen rundum Hochtouren und Gletscher einpacken können.

Da uns der Tag Traumwetter vom Feinsten bietet, beschließen Michael und ich noch über den Hunerschartensteig und den anschließenden Wanderweg abzusteigen. Nach einem Abschlussgetränk auf der Terrasse der Südwandhütte mit Blick auf die gewaltigen Felswände, kommen wir kurz vor sieben in der Türlwandhütte an. Dort wartet bereits ein warmes Abendessen auf uns, das wir uns schmecken lassen. Dann fallen wir zufrieden ins Bett und freuen uns auf den zweiten Kurstag.

Tag 2

Am zweiten Tag bringt uns die Seilbahn wieder frühmorgens auf den Gletscher. Heute wollen wir noch ein paar Techniken zum Sichern und Abseilen am eisigen Steilhang kennenlernen und üben. Neben Theorie und praktischen Übungen stand am zweiten Kurstag auch die Umsetzung des Gelernten bei einer Überschreitung des Hallstädter und Gosauer-Gletscher sowie der Besteigung des Hohen Dachstein über den Westgrat mit am Programm. Das Tourenhighlight gibt’s ausführlich als separaten Blogbeitrag beschrieben.

Für das Sichern und Abseilen bei eisigem Untergrund zeigt uns Patrick eine Sicherungsmethode mit Eisschraube. Wir suchen uns eine blanke Fläche am Gletscherhang zwischen Hohem und Niederem Dachstein. Bergführer Patrick beginnt erst das lose Eis mit der Schaufelseite am Pickel von der Oberfläche wegzukratzen, bis der Untergrund fest und solide ist. Auf der freigelegten Stelle beginnt er nun die Eisschraube leicht schräg nach unten in das Eis zu schrauben.

Die Eisschraube kann dann als Fixpunkt verwendet werden, zum Beispiel als Standplatz oder Zwischensicherung beim Abseilen. Wichtig ist dabei zu beachten, dass die Eisschraube gut sitzt und das hängt mitunter auch vom Aufbau des Eis ab. Beim Einschrauben der Eisschraube kommt oben eine Art Eisstift heraus, desto kompakter dieser ist, umso besser ist auch das Eis und die Festigkeit der Eisschraube. Patrick geht mit uns nochmal die einzelnen Schritte durch: wie baue ich einen Standplatz, wie Seile ich meinen Bergpartner ab, welche Knoten sind dafür wichtig etc. .

Einsatz von Eisschrauben

Eine andere Möglichkeit, um sich im steilen Eisgelände abzuseilen ist die Eissanduhr. Die Methode eignet sich zum Abseilen, wenn man keine Möglichkeit mehr hat das Material wieder einzusammeln. Für das Bauen der Eissanduhr legt man ebenfalls eine Eisfläche frei, dann bohrt man etwa im 60 ° Winkel zwei lange Eisschrauben im entgegengesetzten Winkel in das Eis bis die beiden sich im Eis treffen. In die freigelegte Höhle fädelt man nun mit Hilfe eines Eissanduhrfädlers eine Reppschnur ein und verknotet sie an den Enden mit einem Sackstich. Das Abseilseil wird um die Reppschnur gelegt und schon kann man sich mittels HMS abseilen. Danach das Seil durch die Reppschnur ziehen bis es fällt. Einziger Materialverlust bei der Methode ist eine Reppschnur.

Auch das Aufsteigen mit einem Prusik entlang des Seils schauen wir uns noch gemeinsam an. Sollte sich einer von uns im steilen Aufstieg unsicher fühlen, kann der obere Seilpartner einen Fixpunkt bauen, zum Beispiel mit einem T-Anker oder einer Eisschraube. Der andere bindet mit einer Reppschnur einen Prusik um das Seil verknotet das andere Ende der Reppschnur mit einem Sackstich und hängt die Reppschnur in einen Karabiner am Anseilring des Gurtes. Mit dem Prusik arbeitet man sich nun das Seil entlang nach oben. Sollte man dabei ausrutschen, bremst der Prusik und verhindert ein Abrutschen.

Prusik als Aufstiegs- und Abstiegsbehelf, wenn es steil wird

Patrick zeigt uns damit, dass es jede Menge Behelfswege und Mittel gibt, wenn man im Hochgebirge unterwegs ist. Klar ist nach dem Kurs auch, dass es viel Übung braucht, um all die Knoten und Techniken automatisch anwenden zu können. Das Motto von Patrick lautet „Sicher am Berg“ und so gilt auch bei der Tourenwahl eine gute Selbsteinschätzung zu treffen und seinem Bauchgefühl Vetrauen schenken.

Wir blicken jedenfalls zurück auf zwei gelungen und lehrreiche Kurstage mit viel Praxis bei absolutem Traumwetter und in bester Gesellschaft. Mehr Infos zum Kursangebot von Patrick findet ihr auf seiner Website.

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